Hoch hinaus
Langsam seile ich mich zusammen mit meinen drei KI-Begleitern an der Seite des mächtigen Zeppelins ab, der über dem viktorianischen London schwebt. Meine Mission: Ich soll das Cockpit des Luftschiffs erobern, bei dem sich möglicherweise auch gefährliche Rebellen an Bord geschmuggelt haben, die zu allem Überfluss auch noch ein Attentat planen. Also geht es abwärts, Schritt für Schritt und gut gesichert, wobei die Kamerafahrten zusammen mit der großartigen Musikbegleitung sowie der gestochen scharfen Grafik und geschmeidigen Animationen für eine filmreife Inszenierung sorgen.
Doch schnell wird die Kehrseite der cineastischen Präsentation deutlich: Interaktivität und Bewegungsfreiheit beschränken sich zu Beginn der Mission auf ein Minimum. Hier mal ein Knöpfchen drücken, da mal den Stick kurz in eine Richtung bewegen - und schon läuft die nächste Szene voll automatisch ab und vermittelt den Eindruck, eher in
Die filmische Inszenierung ist klasse - die dicken Balken müssten aber nicht unbedingt sein.
einem interaktiven Kinofilm gelandet zu sein. Der Grieselfilter in Kombination mit den übertrieben dicken schwarzen Streifen am oberen und unteren Bildrand sind weitere Belege, wie stark und bewusst das Geschehen auf „Film“ zugeschnitten wird – von den häufigen Zwischensequenzen ganz zu schweigen.
Wenige Möglichkeiten
Als ich nach der waghalsigen Abseilaktion das Innere des Zeppelins betrete, genieße ich trotz der engen Korridore zwar etwas mehr Bewegungsfreiheit, muss aber weiter dem linearen Weg folgen, eingestreute Reaktiontests meistern und darf nur dann mit der Umgebung interagieren, wenn es von den Entwicklern gewünscht ist. Und damit man in diesen Momenten auch ja nichts verpasst, sorgen die Objekte mit einem deutlich sichtbaren Schimmern für die nötige Aufmerksamkeit.
Ich selbst muss mich in den ersten Minuten an Bord des Agamemnon getauften Luftschiffs dagegen so unauffällig wie möglich verhalten. Also schleiche ich mich in bester Stealth-Manier von hinten an die patrouillierenden Wachen heran und schalte sie mit einem gut getimten Druck auf die Dreieck-Taste aus. Ärgerlich: Werde ich entdeckt, erfolgt umgehend die Verbannung zurück zum letzten Speicherpunkt und ich bekomme keine Gelegenheit mehr, die Situation anderweitig zu lösen.
Klassischer Deckungs-Shooter
Attentäter oder nicht? Ein Blick durch das Zielfernrohr hilft bei der Aufklärung.
Erst später darf ich die Waffen sprechen lassen und meine Widersacher mit Gewehrsalven sowie Splitter- und Rauchgranaten eindecken, während ich von einer Deckung zur nächsten husche, um dem gegnerischen Beschuss zu entgehen. In diesen Momenten macht The Order nicht unbedingt etwas falsch, aber bleibt auch nicht als etwas Besonderes in Erinnerung. Die Gefechte bieten solide Actionkost – nicht mehr und nicht weniger. Trotz theoretisch ausgefallener Waffendesigns bleibt in der Praxis ständig der Eindruck des Gewöhnlichen an den Schusswechseln haften. Selbst die Zeitlupenfunktion sorgt trotz der coolen Inszenierung heutzutage eher für ein Gähnen.
Besser haben mir deshalb die Momente abseits der Action gefallen: So muss ich in der prunkvollen Lobby z.B. erst alle Rebellen identifizieren, die sich unter die normale Besatzung geschmuggelt haben. Wie ich das anstelle? Mit dem Zielfernrohr meines Scharfschützengewehrs, das ich dazu verwende, um die minimalen Unterschiede an den Uniformen zu erspähen, mit denen sich die Attentäter unbewusst zu erkennen geben. Auch die eingestreuten Minispiele, bei denen man z.B. Stromkästen in kleinen Reaktionstests überbrücken oder Schlösser nach dem Vorbild Splinter Cell mit Hilfe der Controller-Vibration knacken muss, sind gelungen und lockern den Spielverlauf trotz des engen Korsetts immer wieder auf.